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Author Topic:   Meine vergeßliche Oma
Silke
nicht registriert
posted 04 December 2003 14:51           Edit/Delete Message
Hallo Ihr Lieben,

seit einiger Zeit geht es meiner Oma so, dass sie wohl unübersehbar in eine Demenz geht. Ob es nun Alzheimer ist oder wie auch immer die Fachbegriffe heißen, weiß ich nicht. Aber es beschäftigt mich sehr. Aus einer Vergesslichkeit, die wir eher als Alterstütteligkeit eingeordnet hatten, entwickeln sich jetzt sehr traurige Anzeichen, die weit über das „Normale“ hinausgehen. Meine Frage (und auch Bitte): Wer hat damit Erfahrung? Wie ordnet Ihr das ein? Auch aus spiritueller Sicht: warum entwickelt sich so ein Krankheitsbild mit einem Mal deutlich mehr (ich meine jetzt im Allgemeinen?) Oder spricht man nur mehr darüber?
Und wie kann man so einen Menschen am besten begleiten? Wir haben Sie jetzt in ein Heim bringen müssen.
Das sind zwar nicht die fröhlichsten Adventsgedanken, aber mir ist damit einfach auch schwer ums Herz. Silke

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Meike Lalowski
Moderator
posted 07 December 2003 20:14     Click Here to See the Profile for Meike Lalowski     Edit/Delete Message
Liebe Silke,

ich kann es mir sehr gut vorstellen, dass es nicht einfach ist, einen sehr nahen Menschen in so einer Erfahrung zu begleiten. Leise Ideen steigen in mir dazu auf, warum (immer mehr?) Menschen einen solchen Weg wählen. Aber zuerst einmal habe ich meine Freundin Dagmar gefragt, weil sie mit alten Menschen, auch Demenzkranken, arbeitet.

Und jetzt sitzt sie neben mir mit Geedanken für Dich dazu. Ich werde mich später noch einmal melden.

------------------
Meike Lalowski

IP: Logged

Dagmar
nicht registriert
posted 07 December 2003 20:49           Edit/Delete Message
Liebe Silke,

das kann ich mir auch gut vorstellen, dass es für Dich nicht einfach ist, Deine Oma in diesem Zustand zu begleiten.

Ich hoffe, dass ich Dir ein paar Anregungen und Gedanken mitteilen kann.

Ich bin mir nicht sicher, ob Demenz häufiger auftritt als früher. Aber vielleicht brauchen heute alte Menschen mehr denn je die Möglichkeit, Ungelebtes und Verdrängtes auf diesem Weg noch einmal auszudrücken. Damit meine ich, dass sie ins Vergessen gehen und ohne die erwachsene Kontrolle ihren Gefühlen (Aggression, Bedürftigkeit, Schmerz usw) freien Lauf lassen. Damit wäre es eine Art Ventil. Vielleicht ist es für sie ein Weg, friedlicher sterben zu können.

Aus meiner Erfahrung mit Demenzkranken (und aus Fortbildungen und Schulungen) habe ich gute Möglichkeiten kennengelernt, auf diese Menschen angemessen zu reagieren.
Ich weiß nicht, ob Du schon mal etwas von Validationstechniken gehört hast? Validation heißt nichts anderes als Wertschätzung. Das ist zwar eigentlich selbstverständlich, aber in dieser besonderen Lage nicht immer leicht. „Validieren“ heißt: sich auf die Ebene des anderen zu begeben. Da sich erfahrungsgemäß Demenzkranke grade im fortgeschrittenen Stadium auf der Kindebene bewegen und so auch agieren, müssen wir ihnen da begegnen. Also keine Sprüche wie „Das wird schon wieder“ – „Rege dich nicht so auf“ – „Es ist alles nicht so schlimm“ und ähnliches! All dies verstärkt die Gefühle und bewirkt das Gegenteil dessen, was man möchte.

Wenn man im Gegenteil verständnisvoll und liebevoll mitgeht, entspannt sich der Mensch zusehends. Er fühlt sich wahrgenommen und aufgehoben. Es geht überhaupt nicht darum, wer Recht hat oder wie irgendetwas wirklich ist. Der Mensch ist in diesem Moment in seiner Welt und muss dort abgeholt werden. Das einzig wichtige ist die ehrliche Zuwendung. Wenn wir begreifen, dass verletzte Anteile dieses Menschen zu uns sprechen, können wir ihnen entsprechend begegnen.


Ich weiß natürlich viel zu wenig Konkretes von Deiner Oma, aber das sind zumindest einige allgemeine Gedanken dazu. Es ist ein endloses Thema, das uns alle noch viel beschäftigen wird!

Es ist nicht hoffnungslos, wenn wir mit Wissen und Einfühlungsvermögen damit umgehen.

Wenn Du mehr dazu wissen möchtest, gibt es ein gutes Buch von Nicole Richard über Validation – sehr empfehlenswert!

Lieben Gruß! Dagmar

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Silke
nicht registriert
posted 10 December 2003 15:12           Edit/Delete Message
Liebe Dagmar, vielen Dank für Deine Gedanken. Unter dem Aspekt, dass die alten Menschen endlich mal das alles rauslassen können, was sie ein Leben lang verdrängt haben, wird einiges klarer. Meine Oma ist nicht aggressiv, aber sehr misstrauisch und weinerlich geworden. Auch geizig und immer in der Angst, dass jemand ihr etwas wegnehmen möchte. Zwischendurch ist sie einfach nur lieb. Aber eben neben der Rolle, steht nachts auf, weiß nicht wo sie ist, erzählt xmal das gleiche. Sie weiß zwar immerhin noch, wer wir alle sind, aber kriegt unsere Geschichten nicht mehr zusammen. Am schlimmsten ist es wohl für meine Mutter (mit der macht sie auch den meisten Zinnober)., ich habe wohl etwas mehr Abstand und kann dann auch das anbieten, was Du als „Validation“ beschreibst. Jedenfalls im Ansatz.
Danke noch mal – Deine und Eure Silke

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Meike Lalowski
Moderator
posted 11 December 2003 09:59     Click Here to See the Profile for Meike Lalowski     Edit/Delete Message
Guten Morgen, liebe Silke!

Wenn man Dagmars Überlegungen zugrunde legt, wird das Verhalten der „dementen“ Menschen durchaus verständlich. Auch das Deiner Großmutter, was natürlich nicht unbedingt heißt, dass es damit problemlos wäre.

Aber es enthält auch ein Geschenk, denn diese Menschen zeigen uns ja nicht nur das Alter, das auf uns zu kommen kann, sondern auch das Innere Kind, das nicht die Möglichkeit hatte, sich ganz auszuleben.

In ihr das Kind wiederzuerkennen, ist dann nicht nur eine Chance, das eigene Innere Kind zu spiegeln, sondern vor allem auch die eigenen erwachsenen Anteile zu beobachten. Wie geduldig, verständnisvoll, klar, abgrenzungsfähig und verantwortlich sind denn unsere Innere Mutter und unser Innerer Vater?

Gesellschaftlich gesehen heißt das, dass wir kollektiv unsere kindliche! Hilflosigkeit dokumentieren, wenn wir die alten Menschen isolieren, abschieben, pathologisieren. Das ist nichts Neues, wird aber in der persönlichen Betroffenheit ungleich schwieriger. Bedrängender. Da leuchtet denn auch ein, dass Deine Mutter sich schwerer tut, trifft sie in Deiner Oma doch die Mutter, mit der ihr Inneres Kind sicherlich noch nicht ausgesöhnt ist (das unterstell ich einfach mal, denn bei wem ist das schon so …).

Deine Chance: die weibliche Ahnenreihe aufräumen z.B. mit den Grundlagen von Chuck Spezzano oder Hellinger, Psychokinesiologie, Familienstellen, und natürlich können auch die work oder die Farbrose sehr hilfreich sein.

So, wie wir mit Kindern und alten Menschen umgehen, gehen wir auch mit uns um. Sprich: mit unseren Anteilen, die symbolträchtig den Beginn und das Ende des Lebens betreffen: Kindheit und Alter.

Lieben Gruß und viel Kraft und Geduld für Euch alle!


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Meike Lalowski

[This message has been edited by Meike Lalowski (edited 11 December 2003).]

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Silke
nicht registriert
posted 12 December 2003 09:33           Edit/Delete Message
Hallo Meike, das mit der weiblichen Ahnenreihe hat ordentlich was ausgelöst in mir. Wenn ich in dem Brief davor davon schreib, daß ich mehr Distanz habe als meine Mutter war das wohl auch mehr gewünscht als wahr …
Jedenfalls rotiert es in mir: meine Verbündung mit meiner Großmutter gegen meine Mutter und solche Dinge, die ich beginne unter einem anderen Licht zu sehen. Und ich finde all Eure Gedanken auch sehr einleuchtend, aber irgendwie ist das in der Praxis anders. Also ehrlich gesagt wünsch ich mir eine weise alte Großmutter, die in Würde ihren Lebensabend gestaltet und immer noch eine kraftvolle Adresse für mich ist. Ist einfach so. Spiegel hin und Einsicht her. Na, ich geh mal meine weibliche Ahnenreihe an (seufz). Und Danke für Euer Mitdenken! Silke

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Meike Lalowski
Moderator
posted 12 December 2003 13:26     Click Here to See the Profile for Meike Lalowski     Edit/Delete Message

... die Würde eines anderen Menschen beginnt in den Herzen derer, die ihn betrachten ...

Ja, liebe Silke, das ist so: je enger desto wirkungsvoller die Kontrolldramen. Und darum ist professionelle Pflege oft auch eine gute Alternative. Denn bewußt gewähltes Zusammentreffen und genug Abstand, die eigenen Dinge zu erkennen und damit bei sich zu bleiben, sind eine bessere Grundlage als Dauerstreß.

Zitier ich doch mal die Antwort eines Freundes auf den "Pflegenotstand", der sich beruflich um dieses Thema kümmert: "Hauptsache Liebe" - und die fängt damit an, dass wir uns nicht nur schätzen lernen, sondern auch einschätzen können.

Und das Schöndenken aufzugeben und bei Mama, Oma, Urgroßmutter, Mutter Erde ... mal genau hinzuschauen ist eine gute Entscheidung.

Alles Liebe!

------------------
Meike Lalowski

IP: Logged

Silke
nicht registriert
posted 16 December 2003 09:54           Edit/Delete Message
Hallo Meike, letztes Wochenende haben wir Omas Wohnung leergeräumt. Und da hat mir Deine Bemekung mit der Würde ganz doll weitergeholfen. (Mußt Du denn immer den Nagel auf den Kopf treffen?! Tut nämlich weh, aber ist ja leider wahr!)

Als ich mich nämlich um meine Halutng kümmerte, war es zwar traurig aber voller Anerkennung über das gelebte Leben meiner Oma. Da fing die Würde wirklich bei mir an. Und ich glaube, ich konnte auch meine Mutter etwas anstecken. Und meiner Oma hab ich einfach geholfen, die Dinge in ihrem neuen Zimmer unterzubringen, die wir ihr dann mitgebracht haben. Nicht daß jetzt alles rosig ist. Aber irgendwie tief und ehrlich! Danke - Silke

IP: Logged

Carmen
Member
posted 16 December 2003 14:38     Click Here to See the Profile for Carmen     Edit/Delete Message
Liebe Silke,
eben habe ich Deinen Beitrag und all die Replies gelesen.Das hat mich sehr berührt.Ich habe die Erfahrung gemacht, dass oft gerade die traurigsten Erfahrungen auch zugleich die schönsten und tiefsten Erfahrungen sind.Meist wird uns das aber erst hinterher klar.

Ich wünsche Dir und Deiner Oma eine liebevolle Zeit miteinander und viele tiefe,schöne Erfahrungen.


Liebe Meike,liebe Dagmar,
ihr seid 2 ganz liebevolle tolle Frauen,danke.

Alles Liebe , Euch allen,
Carmen

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