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Author | Topic: Verantwortung |
Viola Member |
posted 20 May 2004 13:20
Liebe Menschen! Ich hatte ursprünglich vor, einen distanzierten, möglichst klugen Beitrag über meine Geschichte-n hier ins Forum zu schreiben, es ist aber alles doch ganz schön persönlich geworden. Ich mach es trotzdem, ich denke, dass ich mit dieser Geschichte nicht alleine bin. Vielleicht bekommen Leute, denen es ähnlich geht, Mut, hier mal ins Forum zu schreiben, auch nicht so distanziert, wie „man“ es tut. Also los: Ich denke gerade -mal wieder- über „Verantwortung“ nach. [This message has been edited by Viola (edited 21 May 2004).] IP: Logged |
Carmen Member |
posted 24 May 2004 12:00
Hallo Viola, hallo Forumsleser, ich denke mal, dass Du es bist, mit der ich im März an einem "Meikeseminar" teigenommen habe.? Schön, dass Du jetzt doch mal im Forum schreibst. Alles Liebe, IP: Logged |
Meike Lalowski Moderator |
posted 27 May 2004 10:30
Liebe Viola, „Mein Kind soll nicht leiden“ – ein Satz, den wir tief in unserem Herzen tragen. Unabhängig davon, ob wir Väter oder Mütter sind, unabhängig davon, ob wir scheinbar erfolgreich sind oder scheinbar versagen in unserer Erziehung. Und unabhängig davon, welche Rachefeldzüge durch die Familien und inneren Seelenlandschaften ziehen und wüste Überlagerungen gestalten … Die berühmte Frage: ist das wahr? leitet jede Spiegelarbeit ein und ist gemein eindeutig. Nein, es ist nicht wahr. Es kann nicht wahr sein, weil wir unseren Kindern mit dem Leben auch das Leiden geben. Ein wenig differenzierter ausgedrückt: Mit dem Leben in einem Körper geben wir unseren Kindern nicht nur die Erfahrung der Körperfreuden, sondern auch die der Verletzbarkeit, des Alterns und Sterbens. Immer wieder die der Trennung. Im Kleinen wie im Großen. Im Falle der Bilderbuchbiografien sterben wir vor unseren Kindern, nachdem wir unsere Eltern beerdigt haben. Und schon das konfrontiert uns doch mit solchen Herausforderungen, dass unsere Gesellschaft das Thema Tod weitestgehend tabuisiert. Und darüber hinaus gibt es andere Zumutungen. So hat meine Urgroßmutter noch von ihren sechs Kindern vier an Krankheiten wie Diphtherie oder Magendarminfektionen verloren. Meine Großmutter verlor einen sechsjährigen Sohn an eine Herzkrankheit, eines in psychische Irritationen (möglicherweise durch die Soldaten-Erfahrungen) und den Mann in den Krieg. Schauen wir uns um in der Gegenwart dieser Welt. Überall gibt es Kinderleid zu sehen. Mütterleid. Väterleid. Innen wie außen. Damit zu hadern kann die Eintrittskarte werden für eine gute Entwicklung, wenn wir nicht im Hadern stecken bleiben. Es lenkt unseren Blick auf die Ebene, in der Verantwortung Sinn macht. Auf den eigenen Hoheitsbereich (meine Angelegenheiten, meine Farbrose) und auf die Ebene der Entwicklung. Die ist nämlich nicht horizontal (also weltlich verwickelt), sondern vertikal (transformierend).
Auch das ist nicht wahr. Verantwortlich für das Leiden in dieser Welt ist der Entwurf dieser Welt, sei er aus Gott geboren, aus uns, aus einer kollektiven Schöpfungsidee oder wie auch immer wir es nennen wollen. Für die Teilnahme an diesem Spiel ist das „Ich“, das ich jetzt bin, nicht verantwortlich. Es wurde nicht gefragt, so wie unsere Kinder auch nicht gefragt wurden, als sie geboren wurden. Also bleibt nur die Verantwortung für das Hier und Jetzt in der eigenen Persönlichkeit. Es gibt keine andere Wahl. Also, richtig verstanden ist wahr: ich bin verantwortlich für mein Leiden. Sprich: es gibt heilenden Umgang mit Schmerzen durch transformierende Einsichten, und zwar bei mir. Ich bin verantwortlich dafür, was ich für eine Mutter bin. Ich bin nicht verantwortlich dafür, was mein Kind für ein Kind ist. Meine Erfahrung ist, dass wir bei konsequenter Innenschau mit diesem Satz immer in dem Urschmerz des Menschen landen, was es heißt, überhaupt geboren zu sein. Und durch diesen Schmerz müssen wir alle hindurchgehen, um die Gnade der Geburt wieder zu entdecken, die uns Gott und die Liebe mitten im Leben leben lässt. Das muss und kann nur ein persönlicher Weg sein! Er steht nicht nur uns zu, sondern auch unseren Kindern. Was sind wir für Mütter und Väter ohne den Satz "Mein Kind soll nicht leiden." ? Vielleicht weise Eltern, die ihren Kindern die Einsicht in Welterfahrung, wie sie ist, nicht vorenthalten. Möglichst nicht missionarisch (das geht immer nach hinten los) aber durch das gelebte Bespiel - durch ehrliche Aussagen über Zuständigikeiten und eigene Grenzen. Die Buddhisten sagen, Leben ist Leiden. Sie meinen damit die Anhaftung und die Gier, also die Identifikation mit Körper, Geschichten und Äußerlichkeiten. Menschsein bedeutet, das zu erfahren und zu überwinden. Dann ist Leben Liebe. Für uns und für unsere Kinder. Mit der Geburt unserer Kinder geben wir ihnen die Möglichkeit, diesen Weg zu gehen. Gilbrans Gedanken sind Balsam – Dank Dir, Carmen, für diese Erinnerung! Ihr lieben Mit-Mütter und Mit-Väter (Gruß an ...Ingrid ...Marena ...Carmen...) Lieben Gruß von Mutter Meike, deren jüngstes Kind vor drei Tagen volljährig geworden ist … ein wunderbar sichtbares Ereignis, wie Verantwortungen sich ent=wickeln!
[This message has been edited by Meike Lalowski (edited 28 May 2004).] IP: Logged |
Marena Member |
posted 30 May 2004 12:38
Ihr Lieben, Ja die Verantwortung! Und doch mache auch ich immer wieder die Erfahrung, dass ich viele Angelegenheiten mit Uli und den Kindern bei ihm lassen muss. Ich kann meine Kinder immer nur wieder in den Arm nehmen, wenn der Schmerz oder die Angst gross ist, weil sie die Welt nicht verstehen. Ein wundervolles, tiefgreifendes Buch das ich gerade lese(Lilith-Komplex), dass auch schon hier empfohlen wurde, zeigt und lehrt mich zur Zeit so viel. Ein anfänglicher Satz rührte mich zu Herzen, als es darum ging, das sich eine Mutter belastet, ja sogar bedroht fühlen kann durch ihre Mutterschaft. IP: Logged |
silke nicht registriert |
posted 03 June 2004 11:40
Hallo alle zusammen! Habe lange nichts mehr von mir hören lassen, was aber nicht heißt, dass ich nicht gelesen hätte, was hier so im Forum los ist. Dafür hatte ich durchaus noch Zeit. Denn: ich habe mich verliebt :-)! Und da laufen die Uhren ja bekanntermaßen anders! Nun sieht das irgendwie ganz schön ernsthaft aus, und ich mache mir das erste Mal wirklch Gedankendarüber, wie es weitergeht, auch mit sich zusammentun und möglicherweise Kindern… oha …! Wenn ich dann all euren Überlegungen folge, krieg ich doch ganz schön Muffensausen. Und der Satz von wegen in diese Welt keine Kinder klingelt in meinen Ohren. Wenn ich Meikes Gedanken auf die Spitze treibe, kommt glatt die Vorstellung: ich setze Kinder in die Welt, damit sie sterben, und dazwischen ist es auch nicht unbedingt fröhlich. Ich weiß, dass das hundertmal zu relativieren geht. Aber es hat sich etwas festgesetzt. Vielleicht auch, weil meine Oma immer weniger wird, und ich mit meiner neuen Liebe in den Startlöchern zu dem stehe, was sie hinter sich hat. Es fühlt sich alles irgendwie gleichzeitig so ganz besonders und doch auch ganz normal an. Und wahrscheinlich ein bisschen konfus … wie das wohl so ist, wenn die Gefühle Frühling haben! Jedenfalls auch mal wieder ein wenig "Forumfutter" von mir mit Grüßen an alle - Silke IP: Logged |
Meike Lalowski Moderator |
posted 05 June 2004 10:26
Liebe Silke, Bange machen gildet nicht und weglaufen auch nicht … Sich auf dieses Spiel „Menschsein auf der Erde“ eingelassen zu haben bedeutet Mensch sein. Transformieren, erlösen oder wie auch immer wir es nennen wollen heißt nicht vermeiden. Meine Erfahrung ist, dass kein Mensch deshalb „leidfrei“ leben kann, weil er den Zyklen und Geboten unserer Natur aus dem Weg geht. Im Gegenteil, das Leiden der Menschen, die ohne eigene Familie leben, ist eben ein anderes und meist aus noch zu erobernden Lebensmustern geboren, die genauso erkannt und geheilt werden wollen wie die Muster, die wir mit unseren Kindern gestalten. Kindern Leben zu schenken, heißt zweifelsfrei auch, ihnen die Erfahrung der Trennung und des Sterbens zu ermöglichen. Aber das Geschenk ist viel mehr: es enthält im tiefsten Grund die Erkenntnis der Unverletzbarkeit und Unsterblichkeit, wenn wir alle unsere Schatten umarmen können. Eine Geschichte dazu: Eine Freundin erfährt, dass sie Großmutter wird und erzählt mir, dass sie neben all den anderen Gefühlen so sehr weinen musste. „Weil, Meike, es nun einen Menschen mehr gibt, um den ich mich sorgen werde ….“. Dieser Gedanke ist ihr näher als den Eltern des Kindes, denn sie ist in einem anderen Lebensabschnitt und voller Lebenserfahrungen. Jetzt ist der kleine Goldschatz vier Jahre alt, und meine begeisterte GroßmutterFreundin sagt: „Das Leben mit der Kleinen ist mehr wert als alle Therapie – sie ist der Weg zu meinem inneren Kind, zu Versöhnung und Ehrfurcht - zu so viel Liebe.“ Eine andere Freundin erzählt, wie ihre kleine Enkeltochter am Bett des sterbenden Urgroßvaters sitzt und strahlend ihre kleine Hand hochhält, vier Finger ausgestreckt: So alt bin ich! Opa, und wie alt bist du? - Ich werde achtzig, murmelt der alte Mann und lächelt und geht noch am selben Tag, friedlich. Wir leben in unseren Kindern so wie sie aus uns leben. Genieße Dein Verliebtsein und nutze es mit all seinen Facetten. Beherzige die klugen Worte Deiner Großmutter und lass Dich ein, denn, wie gesagt: Dagegen ist kein Kraut gewachsen und weglaufen gildet nicht - Alles Liebe!
[This message has been edited by Meike Lalowski (edited 05 June 2004).] IP: Logged |
silke nicht registriert |
posted 09 June 2004 13:20
Tschja, so wird man mit eigenen Waffen geschlagen ... :-). Aber ich will die liebgemeinten Sprüche meiner Großmutter nicht zu Waffen machen, sondern lieber beherzigen können. So wie audh Deine Gedanken, Meike! Ihr habt ja recht - sind eben immer mal wieder so Stimmungen. Danke und Grüße an Alle - Silke IP: Logged |
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