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Geschichten vom Opernsofa  

Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg

Die Handlung in ganz kurz wie ich sie verstehe

Der Nürnberger Schuster und Poet Hans Sachs sorgt dafür, dass die junge Nachbarstochter Eva den richtigen Mann bekommt. Sie (mitsamt beachtlichem Erbe) wird nämlich von ihrem Vater als Preis gestellt für den Sieger des Meistersinger-Wettbewerbes, der alljährlich zum Johannisfest stattfindet. Rechtzeitig zu diesem Ereignis (ungefähr einzwei Tag vorher) verliebt sie sich in einen jungen Ritter, der zwar genial ist und siegesgewiss in Nürnberg und Evas Herz einzieht, aber jenseits aller Regeln des Meistergesanges völlig ungeschult seine Kunst aus dem Herzen improvisiert. Das ist ein Problem, denn Evchen darf nur einen Meistersinger heiraten, sonst nie niemanden. Bei dem turbulenten Hin- und Her (es ist schließlich Wagners komische Oper) schafft es Sachs, seiner Sehnsucht auf die Spur zu kommen, das schöne Kind selbst zu freien, und diese Sehnsucht bewusst zurückzustellen. Es gelingt ihm, den einzigen offiziellen Konkurrenten auszuschalten, nämlich Stadtschreiber Sixtus Beckmesser (den wir aus dem Sprichwort kennen) und Junker Walther von Stolzing zum Meisterlied und damit zu Eva zu verhelfen. Er erringt den größten Sieg seines Lebens, nämlich eine innere Meisterschaft.


Meisterstunden mit einem Meistersinger
Wolfgang Brendel als Hans Sachs


Gesätz I: Opern sind Spiegel

I. „ Gegen den halten Sie Ihr Herz fest, in den werden Sie sich verlieben!“

Wenn das kein Zeichen ist: Mehrere Opernfreunde gleichzeitig spielen mir drei Karten für die Meistersinger in die Hände, und das nach meiner jahrelangen konsequenten Verweigerung. Ausgerechnet zu einer Wiederaufnahme der umstrittenen Konwitschny-Inszenierung, in der die Meistersinger den berühmten Schlussgesang des Sachs unterbrechen und diskutieren, ob das denn nun noch zeitgemäß sei, was er da singt, wegen Heil und deutsch und Reich – doch sei es drum, es ist die Gelegenheit, mich noch einmal an diese Oper zu wagen, die mich bisher eben langweilte (…?!…) Zur Vorbereitung des Hamburger Opernspektakels krame ich in meinen Videos, weil ich dunkel erinnere, dass ich einen Mitschnitt habe, in der zumindest der Sachs ganz eindrucksvoll war. Was damals aber nichts half.

Da ist sie. Deutsche Oper Berlin, 1995. Inszenierung Götz Friedrich. Für Kenner mag es Schnee von gestern sein, aber ich lebe ja in meiner eigenen Opern-Zeitrechnung mit einem sehr persönlichen Zugang: Nun, der Regisseur Friedrich ist mir natürlich schon ein Freund wegen seiner Salome mit der Stratas und auch seiner Elektra (aber das sind weitere Geschichten). Und Sachs? Wolfgang Brendel singt ihn. Mit dem habe ich grad intensive Opernstunden genossen, weil ich ein Vierteljahr im Arabella-Fieber war und er an
Kiri te Kanawas Seite den Mandryka singt. Er macht auch in der Strauss Oper Eindruck mit den vielen kleinen Gesten und leise noblem Auftreten und irgendwie immer ein Déjà vu im Raum. Ja, der ist der Sachs aus dem Fernsehabenteuer von vor rund neun Jahren.

Die Friedrich-Inszenierung: Sie ist von Anfang bis Ende schlüssig, seelisch tiefgründig und oft wirklich komisch. Im Ganzen gelungen spielerisch, wie von leichter Hand. Ein durchlässiges Bühnenbild, keine biederbürgerliche Mittelalterenge, kein Pomp und Ballast. Dennoch einzuordnen: Nürnberg, Kirche, Gasse, Schusterstube, Festspielplatz – die 1945er Bombenbezüge bleiben diskret im eingeblendeten Hintergrund und Gottseidank tummelt sich das Opernpersonal weder auf einer Insektenwiese (Hamburg) noch um eine Mister-Minit-Bude in Karstadt (Wahn in meinem Kopf, hiermit vorsichtshalber urheberrechtlich geschützt). Die Kostüme sind irgendwie zeitlos, ein bisschen wie heute, aber auch ein bisschen wie 16. Jahrhundert und ein bisschen wie 19. Jahrhundert. Auf jeden Fall ist gut zu erkennen, wer was ist, wer Meister, wer Bursche, wer Volk. Wer Mann, wer Frau insbesondere, aber davon später. Die Musik wird kammermusikalisch durchsichtig dirigiert, ich höre Feinheiten und verstehe so gut wie jedes Wort (das ist nämlich gar nicht selbstverständlich). Und dann einer dieser Glücksfälle: Alle, die dort auf der Bühne stehen, spielen mit. Jede Sekunde sind sie Charakter, jeder Meister hat sein Gesicht, vor allem seine Marotte, jeder Lehrbub seine Freude. Hier insbesondere eine kleine Bubin, die so beglückt ihr Spielen spielt, dass nur sie zu beobachten eine Runde Operngucken rechtfertigt.

Ich starre auf den Fernseher und frage mich, wie es sein kann, dass ich damals nicht begriffen habe, was für ein Wunder sich auftut. Jetzt verstehe ich, warum Wagner Mathilde Wesendonck schreibt, sie solle ihr Herz festhalten. Diese Inszenierung und dieser Sachs-Sänger reichen mir den Schlüssel für die Meistersinger und jetzt kann ich ihn nehmen.

Jetzt bin ich so alt wie Brendel alt war, als er den ’95er-Sachs singt. Ich stricke auf dem Opernsofa den Volljährigkeits-Pullover für mein drittes Kind. Mit jeder Masche verwebe ich Meistersingerklänge und Meisterweisheiten, auch viel Lachen. Vor allem eine Menge Tränen (ach, dieser Wagner). Ob Mann, ob Frau, immer wieder heißt es Abschied nehmen von selbstverständlicher Identität, von Menschen, Rollen, Sehnsüchten. Kinder werden groß, Erotik will wieder neu definiert werden und Beziehungen haben in jedem Alter ihre anderen Aufgaben. Auf-Gaben eben. Midlifecrisis, Wechseljahre sind schlichtweg verkürzende Modeworte für eine innere Entwicklung, die wahrlich gemeistert sein will.


II. „Euch macht Ihr’s leicht, mir macht Ihr’s schwer“

Fangen wir kurz vor dem Ende an, dritter Aufzug, sechste Szene. Der Schuster und Poet steht auf der Festspielwiese, nachdem er wie wohl immer auf den letzten Drücker eingetroffen ist. Rundherum versammeltes Volk, Zünfte, Burschen und Meister und eben Eva Pogner nebst Papa Pogner. Nach Verbeugung vor der zukünftigen Braut (Gänsehautmoment) will Sachs seine Aufgabe erfüllen und als Sprecher der Singerzunft den Gesangswettbewerb eröffnen. Da erheben sich alle und stimmen einen seiner Choräle an „Wach auf, es nahet der Tag“. Sie ehren ihren größten Dichter und Meister, Evchen darüber hinaus sein Bemühen um ihr Liebes-Glück (was alle anderen ja nicht wissen). Er senkt den Kopf. Er nimmt die Ehrung entgegen. Es ist deutlich, bei aller Popularität ist dies nicht sein Ding. Im Mittelpunkt stehen. Gar so offiziell. Und schon gar nicht unter diesen Umständen. Seine Haare sträuben sich in alle Richtungen, sein Festtagsrock ein wenig schlampert, das trennt nicht so von Schusterschürze und der bequemen Strickjacke und Brille vorn auf der Nase. Wie wir ihn ja doch kennen seit über vier Stunden. So hat er das erste Mal die Bühne betreten: auf den letzten Drücker, den Ausgehrock für die Meisterversammlung ein wenig schlampert, Haare schon ein bisschen in alle Richtungen, nicht ganz bei der offiziellen Sache, immer ein Notizbuch in der Hand, Einfälle notierend. Ein Dichter eben. Freundlich. Humorvoll. Im rechten Moment höchst aufmerksam. Im anderen rechten Moment auch leicht aufbrausend, aber zumeist gelassen. Verbindlich. Bei aller Gemütlichkeit doch glasklar. Eine Autorität, wenn er will. So ist er. Zu Beginn.

Jetzt hält er den Kopf gesenkt. Keine kokette Bescheidenheit, sondern Ergebenheit. Demut. Auch unbehaglich ist ihm. Und traurig wohl (ich jedenfalls löse mich schier in Tränen auf, als ich es das erste Mal sehe). Für das Festtagspublikum ist er einfach der Sachs, den sie kennen und lieben. Doch die Meisterschaft, die sie ehren, ist mehr als doppelbödig. Sie macht öffentlich, was in ihm einen langen Weg durch Kopf, Herz, Körper und wieder Kopf genommen hat. Was er innerlich in vielen kleinen Schritten erreicht hat, wird hier nach außen manifest: der bewusste Verzicht auf Evchen, der bewusste Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt, die bewusste Selbsteinschätzung. Kein Genie. Kein Ehemann einer jungen Frau. Anerkannter Meister, eine Institution. Schuster und Poet.

Er weiß ja schon zu Beginn des dritten Aufzuges, dass es so kommen wird (das erzählen uns die wunderschöne und melancholische Musik und vor allem die Motivverknüpfung). Da sitzt Sachs nämlich nach ereignisreicher und dann durchwachter Johannisnacht in seiner Schusterstube und hat einen ersten Bodensatz erreicht. Er ist aus dem Rennen, weil er sich bewusst gegen das Rennen entschieden hat. Eva hat ihren Adam gewählt hat, der ausgerechnet das junge Genie ist, das ihm seine Grenzen aufzeigt. Der Verzicht auf das junge Mädchen geht durch mehrere Erkenntnis-Etappen, ist folgerichtig, vernünftig, natürlich. Tapfer. Weise. Vor Schmach und Schmerz schützend. Alles richtig. Dass es so ein Kampf wird, das hat er nicht gewusst. Und dass es so weh tut, das hat er auch nicht gewusst.

Zurück zur Festtagswiese, der Kopf ist noch gesenkt. Jetzt kommt das Finale. Seine Niederlage ist sein Sieg und umgekehrt. Wenn er dann singt: Euch macht Ihr’s leicht und mir macht Ihr’s schwer, so gilt das auch im Spiegel: Euch mach ich’s leicht und mir mach ich’s schwer. Und: dass ich es mir schwer mach, macht es leichter. Denn das Schwere mache ich mir leichter, in dem ich es bewusst mache. So bewahrt er Würde und bündelt seinen Schmerz zu Energie, mit der er den Junker zu einem Meistersinger schult (in weniger als einer Stunde!). Das ist eine unsichtbare Meisterleistung, mit der er sich und seine Qualitäten in neue Höhen führt und doch so menschlich bleibt.

Das ist einer der ganz kostbarer Opernmomente: Wolfgang Brendel gelingt es, in den gesenkten Kopf meine Quintessenz der Oper zu legen. Er ist so gut in kleinen Gesten, die aus einem ganz tiefen Ort geboren sein müssen. Immer wieder zeichnet er mit Gesicht, Körper und Stimme Miniaturbilder, die alles enthalten: Anfang, Ende und den Weg dazwischen.

Jetzt zum wirklichen Ende des Endes. Wagner stellt sich das folgendermaßen vor (seine Regieanweisungen sind sehr ernstgemeint und unweigerlich wertvoll aber manchmal auch eine Fundgrube): Während das Volk ihm zujubelt, nimmt Sachs mit Stolzings Preiskranz im Haar die Huldigung entgegen, das junge Paar lässt zur Rechten und Linken die Köpfe auf seine Schulter sinken, während der Vater der glücklichen Braut dankbar vor ihm kniet. Beckmesser ist nach der öffentlichen Niederlage vor Hohn und Spott geflohen. (Das ist natürlich Wagnerbiografisch ein Leckerbissen, wenn man die Gleichung zulässt: Sachs = Wagner, Beckmesser = Hanslick, sein ärgster Kritiker.)

Heute ist die Aufführungspraxis versöhnlicher, meist jeder Sachs reicht dem Stadtschreiber in irgendeiner Form die Hand und lässt sich auch den Blumenkranz als Siegersymbol nicht einfach aufdrücken, so leicht kann man es dem Paar nicht machen. Brendel als Sachs aber geht weiter. Sein Blick in Evchens Augen, während er die Hände abwehrend erhebt (erst mal etwas ungläubig, darunter ein bisschen freundlich verlegen und darunter könnte glatt etwas Wut liegen), also während er den Kopf schüttelt und vor dem Kranz und ihr zurückweicht, dieser Blick lässt wohl die junge Frau in einer Art Erkenntnis ankommen.
Sie kehrt um zu ihrem Junker, fällt ihm in die Arme, doch es gibt ein Zögern. Wenn meine eine Opernfreundin neben mir auf dem Sofa trocken anmerkt, dass Ehepaar Stolzing möglicherweise in seinem Schlafzimmer nicht allein sein wird, könnte sie Recht haben.

Während Evchen den Siegessreisig zurück zum Junker trägt und ihm dann auch die Meisterkette um den Hals legt, geht Sachs auf Beckmesser zu: Dieser hat schon wieder schön Wetter bei den Meisterkollegen gemacht und wichtige Erklärungen abgegeben. Aber die rasche Rehabilitation vor allem vor sich selbst (Beckmesser ist psychisch nicht so kompliziert, weil immer die anderen Schuld haben) ändert nichts daran, dass er öffentlich eine furchtbare Niederlage erlitten hat. Er steht durchaus wacker aber einsam am Rande des Geschehens, als Sachs zu ihm kommt und die Hand bietet.

Das ist ja nun, wie wir in unserer Zeit wissen, nichts besonderes, insbesondere weil Beckmesser als Ehrenmann schon seine anerkennende Verbeugung vor Sachs (!) gleich nach Stolzings erfolgreichem Liedervortrag gemacht hat. Grad vor dem Schuster, der ihn mit dem unleserlichen und unverständlichen Text hat ins offene Messer laufen lassen. Da ist diese anerkennende Geste anständig und menschlich herzerwärmend. Doch dann überrascht Sachs ihn (und uns) mit einem arg heftigen Schulterschlag, bricht in ein schräges Gelächter aus, das auch ein wenig nach trockenem Heulen aussieht, und mit dem ganzen Körper ein Nein schüttelnd macht sich der Schuster und Poet irgendwie leicht taumelig und diffus in die Runde winkend aus dem Staub, als das begeisterte Volk begeistert sein Heil Sachs anstimmt.

Beckmesser bleibt, Sachs flüchtet, dieses Ende ist geniale Regie und hochsensible Darstellung. Ist er einfach heilfroh, dass die Schlacht geschlagen ist? Für beide Herren Meistersinger - denn hat der Herr Stadtschreiber nicht nur öffentlich ausgelebt, um was der anerkannte Volkspoet innerlich gerungen hat? Mein Gott, war Beckmesser mutig, mit diesem Unsinn in den Ring zu steigen. Um ein Haar hätte Sachs da selbst gestanden und um das hübsche Ding gesungen. Da rettet sich der Dichter in Hauruck-Humor: Das haben wir beiden Alten doch nun hinter uns gebracht, es lebe das junge Glück und wir auch … und nun aber SchlussAusEnde, auf nach Haus, endlich allein sein und sich neu einrichten in der Schusterstube, im Innern, im Leben. Das Herz wieder in einen heilen Rhythmus bringen nach all der Aufregung … einen neuen Schwank schreiben. Es bleibt offen und kann auch ganz anders sein. Jedes Mal, wenn wir es sehen, wird es anders sein. Weil wir halt nur erkennen, was wir kennen. Und kennen wollen.


III. „Wahn! Wahn! Überall Wahn!“

Also: wir erkennen nur, was wir kennen und was uns bewegt. Nicht nur die ganze Welt ist unser Spiegel (und vor allem die schrecklichen Nachbarn), sondern eben auch eine Oper. Der Schöpfungsprozess einer jeden Kunst ist ein Spiegelprozess – wer meint, Wagner sei egomanisch, hat durchaus Recht. Wagner war es ohne Zweifel. So umfassend, wie es umfassender nicht sein kann, war er nicht nur die ganze Welt sondern Kosmos. Darum eignet er sich schamlos noch jede Geschichte und jede historische Figur genau so an, wie er sie zur Darstellung seiner inneren Einsichten braucht. Es mag Sinn machen, Sachs als aufrechten Fürsprecher des Volkes und Modernisierer der Kunst und aufgeklärten Reformer zu inszenieren (der Ehren-Choral ist ein Original-Gedicht vom historischen Sachs zu Ehren Luthers). In jüngeren Jahren und als Kind der 68erZeit hätte ich begeistert solche Bezüge hergestellt und entsprechende Inszenierungen gespannt verfolgt.

Nun stehe ich woanders, kenne von Lebensmüh bedrängte Geister in mir, bin Spiegelexpertin geworden und suche Innenwelten.

Diese Inszenierung bietet sie mir: Brendel-Sachs spricht meist und vor allem von sich. Fliedermonolog, Wahnmonolog und Festwiesenansprache sind eben auch innere Stationen. Nürnberg steht als beruhigende Handwerker- und Bürgerstruktur für den Schuster Sachs. Seine Poetenseele spricht von deutsch und echt und meint die heilend transformierende Kraft der Kunst als Antithese zur welschen Lebensart. Mag sein, dass die Fürsten lieber anständig regieren sollten anstatt sittlich moralisch zu verkommen. Aber auch wir Volk und Meister schlagen gern über die Stränge: wenn z.B. ältere Frauen junge Männer füttern oder ältere Männer junge Frauen freien, ob wegen Heirat oder Geld oder Lust oder Sehnsucht. Ob ungeniert ganz öffentlich oder verborgen in der eigenen Brust - was macht den Unterschied?

In der Schlussansprache bringt eine kleine Herzattacke unseren Schuster sichtbar ins Straucheln, hinein in das „Hab acht! Uns dräuen üble Streich’“ . Den Griff zum Herzen hatten wir schon: In der Dämmerung zwischen Johannisnacht und Johannistag während der wunderschön melancholischen Musik des Vorspiels zum dritten Aufzug trägt uns Brendel wieder im Detail durch Sachsens tiefe Selbstbegegnung. Wenn er sich dann auch noch die linke Schulter reibt, sind wir mitten drin: Eine kleine Geste für einen großen Herzschmerz.

Die komische Oper achtet aufs Gleichgewicht. Wie gut, dass jetzt der Lehrbursche David voll des schlechten Gewissens ob der nächtlichen Prügelei frischen Wind bringt. Aber Uwe Peppers hinreißend komisches Spiel ist ein Intermezzo. Ein nottreibendes, denn durch ihn findet Sachs einen Weg zu seiner Not. Wenn David nämlich verzeihende Nähe des Meisters sucht, hüpft er nicht von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, sondern springt direkt in die Wunden. Unbekümmert seine Liebesfreuden mit der Jungfer Lene preisend steigert er sich zu dem gut gemeintem Rat: „Meister, ach Meister! Ihr müsst wieder frein!

Sachs ist ein guter Lehrmeister. Er hält sich bedeckt und murmelt weise Worte. Aber kaum allein bricht es aus ihm heraus: „Wahn! Wahn! Überall Wahn!“. Wo? Warum? Wie?

„Wohin ich forschend blick’
in Stadt- und Weltchronik,
den Grund mir aufzufinden,
warum gar bis aufs Blut
die Leut’ sich quälen und schinden
in unnütz toller Wut!“

Die Leut, das ist immer nur ein Umweg zu sich selbst:

„Hat keiner Lohn noch Dank davon:
in Flucht geschlagen,
wähnt er zu jagen.
Hört nicht sein eigen Schmerzgekreisch,
wenn er sich wühlt ins eig’ne Fleisch“.

Weltschmerz ist Herzschmerz, Wahn überall will gemeistert werden, vor allem in uns. Sachs beruhigt sich mit einer Dosis Fensterblick auf sein liebes Nürenberg und bündelt damit seine sich grad auflösende Autorität.

„Doch eines Abends spat,
ein Unglück zu verhüten,
bei jugendheißen Gemüten,
ein Mann weiß sich nicht Rat:
ein Schuster in seinem Laden
zieht an des Wahnes Faden.“

Bei wem? Er weiß es und kommt schließlich mutig dort an, wo die Musik schon spielt: „Ein Glühwurm fand sein Weibchen nicht; das hat den Schaden angericht’t.“ Und wenn er dann singt: „Der Flieder war’s: Johannisnacht“, dann wissen wir, wovon er spricht: Glühwürmchen Beckmesser bekommt die Prügel, Glühwürmchen Sachs aber muss den Wutesbrand innen löschen.

Die äußeren Tumulte spiegeln des Schusterpoeten inneren Tumulte, jeder Aufzug endet mit einem. Im ersten Aufzug ist große Aufregung und großes Durcheinander in der Meistersingschule, weil der Junker so gegen alle Regeln singt, dass die erhabenen Meister ihn unter dem Gejohle der Lehrbuben lauthals niedermachen. Ende des zweiten Aufzuges haben wir die prächtige Johannisnacht-Prügelei in Nürnbergs Gassen, und, wie großartig!, die Meister mittendrin. Und Ende des dritten Aufzuges haben wir Sachs mit gesenktem Kopf. Dieser Tumult ist innen und bleibt unsichtbar …

Innen wie außen, oben wie unten, groß wie klein: Wagner hat die Spiegelfunktion nicht erklärt. Er hat sie gestaltet.

Gesätz II: Wenn viele mitspielen, spielt sich bei vielen viel ab

I. „Ein Junggeselle muss es sein.“

Vom Ende zum Anfang der Tumulte: Als Sachs in der dritten Szene des ersten Aufzuges am Vortag des Johannisfests zur Katharinenkirche eilt, ahnt er nichts Böses. Es wird sicherlich wie immer sein, ein bisschen dies und das mit den altvertrauten Meisterkollegen, ein bisschen Geplane für das Volksfest morgen, schließlich haben die Singer dort ihren traditionellen Auftritt, vielleicht eine Freiung. Kollege Kothner macht sich wichtig wie immer an seine Aufgabe, alle aufzurufen: sind ja alle da, stocksteif der eine, ein bisschen dümmlich der andere, Kupferschmied Foltz wird immer schwerhöriger und Strumpfwirker Schwarz mümmelt wie gehabt an seinen Brezeln.

Wäre unser Sachs nicht so versunken in sich (wer weiß, vielleicht geht ihm die verzwickte Stelle im zweiten Stollen seines neuen Gedichtes nicht aus dem Kopf, wo doch der Abgesang schon so rund ist, wer weiß schon, was in ihm vorgeht), also wäre er nicht so versunken in sich, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass die Lehrbuben heute sehr unruhig sind. Auch David ist seltsam brustgeschwellt und Beckmesser eine Spur nervöser als sowieso schon. Ach, der Kollege Beckmesser – schwer haben es die kleinen Männer eh, und dann noch einziger Nichthandwerker unter lauter Handwerkern. Der Scheitel messerscharf wie immer, aufgeräumt eine kleine Begrüßungsspitze zu Kollege Sachs geschossen, intelligent ist er und einen ganz besonderen Witz hat er auch, der Herr Stadtschreiber - ach doch, eigentlich ist alles wie immer.

Und nun setzt Nachbar Pogner an zu einer langen Rede von wegen Johannisfest. Ist ja nett, der gediegene Nachbar, korrekt, verlässlich konservativ, ein bisschen langweilig. Kein Wunder, dass Evchen von klein auf da gern beim Schuster sitzt, aufgewecktes Kind, eine schiere Freude. Keine Mutter, aber zwei Väter, dem Kind mangelt es nicht an Zuwendung. Pogner ist schon bei Lieblingsthema Nürnberg, richtig, jetzt kommt noch das Ansehen der Meisterkunst. Alles ist wie immer. Aber was redet er denn jetzt? Einen Preis will er aussetzen, einen richtig großen. Was? Eva?

Sachs stockt einen Moment das Herz: Eva als Preis? Und dann noch mit dem großen Batzen Geld? Donnerschlag, das wird die Schmeißfliegen locken. Jetzt ist Sachs hellwach. Und nicht nur er. Die Meister gockeln in heller Aufregung umeinander. Und was ist denn mit dem Beckmesser: Herrje, er wird doch nicht …? Doch, er wird! Der will ran an die Mitgift und das schöne Kind, Sachs muss es schützen vor knochentrockner Meisterwahl: „Ein Mädchenherz und Meisterkunst erglühen nicht stets in gleicher Brunst“. Besser, das Volk kürt den Sieger, die sind näher am jungen Mädchen und seinen Gefühlen, nicht so tabulatorverdorben, sondern glücklicherweise unbelehrt.

Die Lehrbuben sind begeistert, aber dem Pogner ist es des Neuen zu viel und die übrigen Meister geraten in noch größere Aufregung. Damit kommt Sachs nicht durch. Sei’s drum, gewohnt gelassen lenkt er ein. Es ist noch nicht aller Tage Abend.

Doch da sitzt ihm etwas in der Brust, ein kleiner Schmerzkeim, für uns durchaus schon sichtbar, wenn er tief Luft holen muss beim Brille-von-der-Nase-nehmen. Auch Beckmesser ist geübt im Wittern von Gefahr. Sachs als Brautwerber mit dem Volk als Richter wäre eine große Gefahr, steht der Schuster und Poet in der Gunst unangefochten oben. Als dann der Vorsitzende Kothner fragt: „Wer schreibt sich als Werber ein? Ein Junggesell’ muss es sein“, schiebt der Stadtschreiber sofort hinterher: „Vielleicht auch ein Witwer? Fragt nur den Sachs!“ Der antwortet spontan: „Nicht doch, Herr Merker! Aus jüng’rem Wachs als ich und Ihr muss der Freier sein“. Der Schuster stellt die Weichen.

Jetzt läßt sich noch ruhig und im Brustton der Überzeugung verkünden, was in Folge tief errungen werden muss. Ohne zu ahnen, in welche Tiefen er geraten wird beginnt in diesem Moment der lange Weg zu dem solidarischen Schulterschlag am Ende der Oper.


II. „ein Meistersinger möcht’ ich sein.“

Doch zurück in die aktuelle dritte Szene: Pogner hat noch etwas aufzuwarten. Einen Junker stellt er vor, der Meistersinger werden will. Was für ein Tag! Und Sachs kann nicht wissen, was wir wissen, weil er immer so spät kommt und beim Gottesdienst war er auch nicht. Wir aber sind schon zwei lange Szenen länger dabei.

Spannende Informationen haben wir ihm voraus, denn Junker Stolzing hat gleich zu Beginn der Oper seinen ersten stürmischen Auftritt. Mitten hinein in den Gottesdienst und in den Choralgesang zu Ehren Johannes des Täufers ist er des Herzens so voll, dass er gegen alle Regeln die schöne Goldschmiedtochter etwas Dringendes fragen muss. Er setzt zwar an mit „Ein Wort! Ein einzig Wort!“ braucht dann allerdings ziemlich viele Wörter, denn er hat ein Problem: er kann sich nicht kurz fassen. Er kann einfach nicht normal reden! Was er fragen will, ist: „Seid ihr schon Braut?“ Singen aber hören wir ihn:

„Fräulein! Verzeiht der Sitte Bruch!
Eines zu wissen, eines zu fragen,
was müsst’ ich nicht zu brechen wagen?
Ob Leben oder Tod, ob Segen oder Fluch?
Mit einem Wort sei’s mir vertraut:
Mein Fräulein sagt - “

Und schon wird er von Jungfer Lene unterbrochen, deren Aufgabe es ist, ein wachsames Auge auf Evchen zu halten. Er wird übrigens die ganze lange Oper ständig unterbrochen, im Werben, im Singen, im Fortlaufen und in Entschlüssen. Und wenn er am Ende genau weiß, was er nicht will, hat Sachs für die erzieherische Bündelung der adligen Sprachgewalt ganze Arbeit geleistet. Stolzing braucht mit zärtlichem Blick auf Eva genau acht klare Worte: „Nicht Meister! Nein! Will ohne Meister selig sein!“ Dass er auch darin unterbrochen wird durch Sachsen berühmten Schlussgesang und fünf Minuten später Meister ist, bestätigt mehr als das Gesetz der Serie. Es ist der Beginn einer weiteren womöglich lebenslangen Schulung. Nun ist er Ehemann einer sehr selbstbewussten und eigenwilligen jungen Frau in einer ihm fremden Bürgerwelt.

Aber das ist zu Beginn in weiter Ferne. Jetzt muss Stolzing erst einmal seine Frage rausbringen, was ihm im dritten Anlauf schlussendlich gelingt. Allein die Antwort ist sehr verwirrend. Ja, Braut ist Evchen durchaus, aber „den Bräut’gam wohl noch niemand kennt“. Wer das sein wird, entscheidet sich erst Morgen, beim Johannisfest. Seine Erwählte ist der Preis für den besten Meistersinger, vorausgesetzt, sie will ihn. Soweit hat der Vater sich Gedanken gemacht über das Seelenheil seiner Tochter: Ablehnen darf sie den gekürten Sieger, aber nie einen anderen wählen.

Erstaunlich, das junge Mädchen ist bei dieser seltsamen Sachlage hochgradig vergnügt. Ihr scheint das Spaß zu machen, sie glüht von innen und strahlt dem jungen Mann in Aug und Herz. Ihm aber macht das Druck, er hat keine Ahnung, wie das nun geht, ein Meister sein. Und dieses „nie“, das ist gewaltig. Wäre es ein grundsätzliches, hieße das, Hauptsache Meister. Wenn Morgen keiner dabei ist, der ihr gefällt, eben nächstes Mal. Unter solchen Bedingungen aber könnte Junker Stolzing ein Jahr üben und die Oper würde ausfallen.

Nein, er hat keine Zeit zu üben. Stolzing muss heute, jetzt, sofort ein Meister werden, um einen Tag später in die Arena steigen zu können. Nun kommt ihm die Selbstverständlichkeit seines Adels zu Gute. Seine hohe Geburt und Ritterausbildung zu Minnekampf sind ihm in Fleisch und Blut. Angst hat er nicht zu haben. Auch keine Zweifel.

Jungfer Lene ist da bodenständiger. Sie spannt flugs ihren Liebsten David ein, der sie nicht nur anbetet, sondern auch noch Lehrjunge beim berühmten Sachs ist. Der soll den Junker mal tüchtig vorbereiten. Das lässt David sich nicht zweimal sagen. Er wirft sich mächtig in die Brust und gibt alles von sich, was er in einem Jahr gelernt hat. Da purzeln Schuhmacherhandwerk und Dichterwerkstatt munter durcheinander. Und so unendlich viel gibt es zu lernen, zu üben, zu beachten. Viel zu viel für einen frisch verliebten Ritter, der gar nicht richtig zuhören kann (ich empfehle das Zuhören allerdings sehr: eine Feinschmeckerszene, nochmals Lob an Uwe Pepper, dem es prachtvoll gelingt, dass es ziemlich viel Gesingelang nicht langweilig wird!).

Das ist übrigens Stolzings erste Belehrung, er bekommt derer drei. Diese hier hilft gar nichts außer dass wir die Größe der Liebe daran ermessen können, dass der junge Mann nicht schnellstens abhaut. Eines allerdings hat er begriffen: er muss den Meistern etwas vorsingen, und das kann nur gelingen, wenn er zum Vers auch den eig’nen Ton findet. Na, das wäre doch gelacht! Er erwartet voll des Siegesmutes die Meisterversammlung und stellt bei Pogner den Antrag auf Freiung, der grad mit einem kleinen seltsamen Mann in ein Gespräch vertieft die Singschule betreten hat.

Dem Goldschmied kommt das ganz recht, denn der in den Tochterhandel eingeweihte Stadtschreiber Beckmesser hat schon den Fuß in der Tür und bittet grad um intensive Fürsprache des Vaters bei jung Töchterlein. Wenn Vater Pogner im Rahmen aller Höflichkeit auf dem Mitspracherecht des jungen Mädchens beharrt, mag das (hoffentlich!) ein erster Anflug eines schlechten Gewissens sein. So viel Kandidaten gibt die Meisterversammlung nicht her. Beckmesser ist kein Traum-Schwiegersohn, ein solider Bewerber muss her. Dieser Junker wäre keine schlechte Alternative: bringt schlichtweg nicht nur blaues sondern auch frisches Blut und man kennt sich aus soliden Verkaufsverhandlungen um des Junkers Besitz. So präsentiert er dann hoffnungsfroh den versammelten Meistern den ungewöhnlichen Bewerber um eine Freiung zum Meistersinger.

Sachs bleibt wenig Zeit, den inneren Rührungen nach Beckmessers Messerspitze in die Evaliebe auf die Spur zu kommen, denn flugs baut sich dieser junge Rittersmann mutigtrotzig auf und bietet der Meisterübermacht seine adlige Selbstverständlichkeit.

(Ein kleiner Ausflug zu Gösta Windbergh. Der Sänger ist von der Statur nicht nur stattlich sondern auch ein wenig klobig. So wirkt er bei aller Agilität sympathisch unbeholfen, das moduliert Feinheiten. Er nutzt sein sensibles Gesicht, Verletzlichkeit und Erstaunen über die moderne Welt zu zeigen, und auch unwirsches Misstrauen und leichte Bockigkeit sind eingeschrieben. Das tut der Rolle gut, mal abgesehen davon, dass er sie singen kann.)

Doch zurück ins Bühnengeschehen. Nun ist der junge Mann über die ihn verwirrende Verliebtheit hinaus wirklich „ein merkwürd’ger Fall“. Er ist arg weltfremd, kommt nicht nur von seiner einsamen Burg in die moderne Stadtwelt runtergestiegen, sondern auch aus einer Minnesang-Vergangenheit mitten hinein in die bürgerlichen Sangesregeln. Die haben zwar sehr wohl miteinander zu tun, birgt die Troubadourkunst doch die Wurzeln der Meisterkunst. Den Meistern aber scheint diese Verbindung unter einem Wust von Gesätzeswerk arg in Vergessenheit geraten sein.

Stolzing trägt noch Sturm und Drang in sich, archaisches Ungestüm und poetische Blütenpracht führen vor dem Singgericht erneut zu allerhand Aufregung: Wenn Bäckermeister Kothner ihn fragt: „Welch Meisters seid Ihr Gesell’?“, antwortet er nicht etwa: der hochwohlgeborene Haushofmeister Hinz von Kunz war mein Lehrer, sondern er gibt wieder mit langem Anlauf innig beseelt einen Dichtermeister preis: Walther von der Vogelweide.

Sachs horcht auf: „Ein guter Meister!“ – aber Beckmesser kontert messerscharf: „Doch lang schon tot“. Recht hat er, und Stolzing, der im Werbungsritual ritterlich keine Herausforderung scheut, gibt sofort seine gegenwärtigen Gesangslehrer zum Besten:

„Wenn dann die Flur vom Frost befreit
Und wiederkehrt die Sommerszeit,
was einst in langer Winternacht
das alte Buch mir kundgemacht,
das schallte laut in Waldespracht,
das hört ich hell erklingen:
im Wald dort auf der Vogelweid’,
da lernt’ ich das Singen.“

Ein Leckerbissen für Beckmesser: „Oho! Von Finken und Meisen lerntet Ihr Meisterweisen?“ Das geht munter so weiter, Sachs ist fasziniert, Beckmesser kämpft, die Meister sind verwirrt.

Durch Sachsens Einsatz und von Pogner protegiert kommt der merkwürd’ge Fall zum Zuge. „Für dich, Geliebte“ darf und will er auf den Prüfungsstuhl. Aber gemach, nicht gleich lossingen, die Unterbrechung fehlt noch: Erst kommt die zweite Belehrung. Während David eifrig präsentiert hat, was und wie viel (!) er gelernt hat, wird Stolzing jetzt hochoffiziell mit den Gesätzen vertraut gemacht. Das erreicht ihn zwar erst recht nicht, aber uns: Bäcker Kothner läuft hochkomisch zu Bestformen auf und die Wichtigkeitsinszenierung bietet für Aug und Ohr wieder Bühnengenuss im Detail.

Nun aber! Beckmesser tritt wichtig sein Merkeramt an, ein saures diesmal. Denn da gibt es keinen Zweifel: dieser Heißsporn wird Fehler über Fehler machen, und der Merker kreidet Fehler an, wortwörtlich. „Sieben Fehler gibt er Euch vor“, aber dann heißt es versungen. Lächerlich! Die Tafel wird nicht reichen, die Kreide wird nicht reichen. „Fanget an“, ruft er gottergeben die Aufforderungsformel zu eines jeden Meistergesanges aus seiner Merkerbude. „Fanget an“, greift der unerschrockene Junker die Formel auf und sofort schießt Beckmessers Kopf aus dem Merkervorhang, Entsetzen und Empörung in allen Zügen.

(Eine kleine weitere Sängerhuldigung sei hier eingeschoben: Eike Wilm Schulz gestaltet Beckmesser in allerfeinsten Feinheiten. Sein Stadtschreiber ist komisch und tragisch und lässt keinen Zweifel, wie sehr auch er zu kämpfen hat mit Herzschmerz und all den Facetten der Selbstwertgestaltung. Meine eine Opernfreundin, die als bühnenerfahrene Schauspielerin sehr kollegenkritisch ist, bricht ständig neben mir auf dem Opernsofa in Beifallsstürme aus. Und singen kann er auch.).

Zurück zum singenden Stolzing, der, einmal angefangen, sich wie gehabt jubelnd verliert in einem Schwall aus Lenzesbeschwörung und Glockengeläut.

Während die Meister fassungslos den Improvisationskünsten des Troubadourwildwuchses lauschen, geht Sachs das Herz auf. Der Junker ist lebende Poesie. Hier singt ein Genie. Spontan ist der, intuitiv und schnell. Zielsicher greift er nicht nur blödespröde Eingangsformeln auf, sondern verarbeitet Aktion und Reaktion der aufgebrachten Zuhörerschar zu Sangeskunst. Diese Kunst lebt! Sachs begeistert sich, die Brautpreisproblematik scheint vergessen, seine Augen leuchten, es hält ihn nicht auf dem Platz. Mutig singt der junge Mann gegen die grellquietschende Kreide von Beckmesser an Aber es kommt, wie es kommen muss, er schwelgt im Anlauf und hat versungen, bevor er überhaupt beim Sujet seiner Gesangskunst angekommen ist, in diesem Fall der Frauen Lobpreisung.

Beckmesser spricht das Urteil: „Singt wo ihr wollt! Hier habt Ihr vertan!“ und aller Kampfesbereitschaft zum Trotz endet alles im ersten der schon erwähnten drei Tumulte. Nach einer letzten Runde Sängerkrieg (das wird laut: man versteht kein Wort, alle singen für die eigene Sache engagiert durch- und gegeneinander) verlässt Stolzing mit stolz-verächtlicher Gebärde die Versammlung und hat schlichtweg die Nase voll vom offiziellen Weg zu seiner Braut.

III. „Die Meisterregeln lernt beizeiten“

Doch einen Morgen später ist alles ganz anders. Kaum aufgewacht von einem wunderschönen Traum, und das auch noch in des Schusters Haus, beginnt die dritte Belehrung. Diese allerdings ist eine pädagogische Meisterleistung, darum kriegt Stolzing nicht mit, dass er belehrt wird und kann in Ruhe lernen.

Er ist aber auch gebeutelt, die Aufregung nimmt kein End. War das ein Theater gestern Nacht! Das wonnige Weib in seinem Arm ist bereit, ihm allem bürgerlichen Anstand trotzend zu folgen egal wohin, Hauptsache weg vom Meistergericht – welch Glückseligkeit. Doch sie liegen eingeklemmt unter einer Linde und können nicht vorwärts und nicht rückwärts. Der verrückte Schuster sitzt mitten auf der Gasse und klopft lautstark irgendwelche Schuhsohlen platt, dröhnt dazu ein anzügliches Lied über seine Eva, während ausgerechnet Merker Beckmesser geschniegelt und geschnackelt unter Goldschmiedtochters Fensterlein auf einer Laute klimpert und schräges Zeug singt. Die Wörter werben und erben fallen jedenfalls auffallend häufig. Wie schlau, dass Eva Lene ans Fenster gesetzt hat. Dann kriegen sich die beiden Herren Meister tüchtig in die Haare, der Sachs hämmert dem Troubadour-Möchtegern das ganze Ständchen kaputt, davon muss ja der Rest der Welt wach werden. David als erster. Er stürzt sich auf den vermeintlichen Nebenbuhler, und dann stürzen sich alle aufeinander, die ehrwürdigen Meister prügeln mit, die Gesellen prügeln mit, die Ehefrauen prügeln mit, die Lehrbuben johlen (Tumult zwei im zweiten Aufzug).

Jetzt ist Johannistag-Morgen, Stolzing steht beim Schuster in der Stube, der hat ihn gestern Nacht aus dem Gewühl schlichtweg ins Haus gezogen und in ein Kämmerlein verfrachtet. Ganz freundlich begrüßt der ihn, will sogar seinen Traum hören. Evchen muss sich täuschen, wenn sie meint, der wolle ihnen Übles.

Genau. Tatsachen schaffen und die Autorität bündeln. Sachs sucht des Junkers Vertrauen als väterlicher Freund. Bevor die jungen Leute Unsinn machen, macht Sachs lieber einen Meistersinger aus Stolzing. Damit möglichst die Niederlage vom Vortag nicht berührt wird, soll er einfach erzählen. Genauer: Den Morgentraum soll er singend verdichten.

„Mein Freund, das grad’ ist Dichters Werk,
dass er sein Träumen deut und merk’.
Glaubt mir, des Menschen wahrster Wahn
Wird ihm im Traume aufgetan:
All Dichtkunst und Poeterei
Ist nichts als Wahrtraumdeuterei.
Was gilt’s, es gab der Traum Euch ein,
wie heut’ Ihr Meister solltet sein?“

Nein, also mit Meistern will der Junker nichts mehr zu tun haben, Da heißt es für den Schuster, erst einmal beruhigen, den Stand der Dinge klären, Solidarität herstellen, indem man Schwächen preisgibt, was die ehrwürdigen Meister angeht:

Ihr habt’s mit Ehrenmännern zu tun;
Die irren sich und sind bequem,
dass man auf ihre Weise sie nähm’.
Wer Preise erkennt und Preise stellt,
der will am End’ auch, das man ihm gefällt.
Eu’r Lied, das hat ihnen bang gemacht:
Und das mit Recht: denn wohlbedacht,
mit solchem Dicht- und Liebesfeuer
verführt man wohl Töchter zum Abenteuer;
doch für liebseligen Ehestand
man andre Wort und Weisen fand.

Kluger Schachzug. Sachs weiß Bescheid um Eva-Entführung und Schlimmeres, aber kommt nicht mit Moral und Vorwurf. Keine Umwege über Gesichtsverlust-Zumutungen, sondern direkt zum Ziel auf dem braven Weg ins Glück: denn letztlich geht’s doch wohl um Ehestand. Ehestand aber hat eine Eintrittskarte: das Meisterlied. Da kommt der Junker wegen des „nie “ nicht dran vorbei. Das muss überzeugen, der Junker ist bereit: Wie fang ich nach der Regel an? Sachs: Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann. Ein Genie lernt Regeln nicht. Es entdeckt sie in sich.

Ehestand ist das Ziel, ja doch: Und damit es über all die Poeterei nicht verloren geht, argumentiert Sachs gleich weiter mit einleuchtenden Vokabeln: Der erste Stollen ist Mann, der zweite Frau und fruchtbar werden sie im Abgesang, dem Kind

Das macht Sinn, rein praktisch und eben auch grundsätzlich aus menschlicher Weisheit heraus. Die Dreieinigkeit ist Metaphysik, eine heilige Formel: Vater, Sohn, Heiliger Geist – These, Antithese, Synthese – blau, rot, gelb. Vater, Mutter, Kind. Ein Prinzip.

Frei vom wichtigen Lehrerklimbim hin zu den grundsätzlichen Schöpfungsprinzipien unserer Welt: Der Lehrer erkennt sie Der Schüler erkennt sie. Eine Meisterstunde.

Learning by doing, heißt die neudeutsche Formel, Wagner gestaltet es poetischer. Die Morgentraumdeutweise wird geboren, erst ein Mal, dann noch einmal, dann noch einmal, immer wieder, gleichbleibend in der Form und doch sich entwickelnd. Was hier beginnt, überwältigt auf der Festspielwiese Bursche wie Meister, Mann und Frau, jung und alt. Es ist einfach wunderwunderschön. Sachs setzt sich durch, Stolzing singt, das unbelehrte Volk spricht:

„Gewiegt wie in den schönsten Traum,
hör ich wohl, doch fass es kaum.
Reich ihm den Reis! Sein sei der Preis!“

Es ist so wunderschön, dass auch wir auf dem Opernsofa in die Melodie versinken und es gar nicht mehr stört, dass wir immer noch Schwierigkeiten haben, es zu verstehen. Wenn der von mir sehr geschätzte Musikkritiker und Wagnerliebhaber Joachim Kaiser gesteht, er habe Jahre gebraucht, um im ersten Stollen überhaupt ein Satz-Subjekt zu finden, kann ich ja wagen zu berichten, was ich bisher begriffen habe:

Es geht um einen Garten, in dem es einen Baum gibt, ein Weib und eine Quelle. Es geht um Morgen und Abend und Nacht, um Sterne, Parnass und Paradies. Und diesem schönsten Weib, Eva im Paradies gelingt es, dass der erwachte Träumer in einen zwar huldreichsten Tag erwacht, aber eindeutig lichten Tag der Sonnen. Das lässt auf Alltagstauglichkeit hoffen mit hoffentlich nicht verlorener aber gut geerdeter Poesie.

Sachs ist ein Meisterlehrer.


Gesätz III: Vor dem Werden ist das Sterben

I. „Was mit den Männern doch Müh ich hab!“

Opernbegeisterten im Allgemeinen und Wagnereingeweihten im Besonderen sind wahrscheinlich einige meiner Formulierungen vertraut. Irgendwie fliegen sie mir wie kleine Vögelchen einfach in den Text hinein, wohl weil sie mich erinnern und irgendwie alles immer wieder auftaucht, vor allem solche Themen wie Töchterausverkauf und tödliche Lieben. Wir finden in den Meistersingern Tannhäuser wieder (auch da ein Sängerstreit mit FraugleichPreis aber tödlichem Ende für das Paar, das kein Paar werden darf wegen der anti-minniglichen Erotik) und Lohengrin (tödliches Ende für das Paar, das kein Paar werden darf, weil Elsa ihren Retter nicht fragen darf, wie er heißt und woher er kommt und es doch tut) und Walküre (ein junges Paar auf der Flucht, weil leider ihre Liebe gegen elementare Regeln verstößt, Ehebruch und Blutschande sind auch in altgermanischen Zeiten eine Nummer zu groß, das ganze endet tödlich). Tristan&Isolde arbeitet Wagner sogar ausdrücklich in die Meistersinger hinein (sehr berühmtes tödliches Ende für das Paar, weil Isolde verheiratet mit dem älteren König Marke ihrem einfach vorangestorbenem Tristan schicksalsmächtig nah nur im Hinterhersterben sein kann).

Nein, Evchen darf mit ihrem Walther von Stolzing überleben, und das auch noch vom Vater begrüßt und vom Volk bejubelt ganz normal in eine Ehe mündend.

Eva Pogner ist keine „tragische Wagner-Heroine“, sondern ein fröhliches junges Mädchen ohne größere Probleme. Als das „verwöhnte Millionärstöchterlein“, wie Kaiser sie nennt, ist sie standesgemäß selbstbewusst und gewohnt, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen. In erster Linie ist sie einfach jung. Sie ist ungefähre siebzehn (Gruß vom Rosenkavalier), steckt in deutlich zu engen Mädchenkleidern, hat schlichtweg keine Ahnung von der Liebe, dem Sex und der Ehe. Sie ist ganz normal jung und auf dem Weg zur Frau und hat ohne mütterliche Einweisungen und Warnsysteme eine Lene an der Seite, die die Spielregeln zwischen Mann und Frau nicht grad tiefsinnig hinterfragt. Lene ist sehr beschäftigt mit ihrem David, ungefähre dreißig, lebenslustig, attraktiv und handfest. Ute Walther singt und gestaltet herzerfrischend lebendig eine Frau, die einen halben Kopf größer selbstbewusst ihrem jüngerem Verlobten voraneilt. Eine Freundin ist sie Evchen, beide bemuttern den Vater, der Sachs von gegenüber ist ein FreundVater, es geht halt alles ein wenig durcheinander.

So muss es nicht verwundern, dass das „Ich-bin-ein-Preis-Abenteuer“ in Evas Kopf ein Abenteuer bleibt, dass genau bis zum Johannistag reicht und keinen Tag weiter: das richtige Kleid, das richtige Paar Schuh, das Rampenlicht, die Wichtigkeit. Es ist ein Spiel. Ein herrlich aufregendes, und so romantisch!

Und das Leben gibt ihr Recht: Ein echter Ritter, so herrlich, so schön, so lebendig, so stark, so leidenschaftlich und so pünktlich zum Wettgericht tritt er in ihr Leben. Natürlich wird er der Sieger, denn Evchen hat ihn schon gekürt: „Euch oder keinen!

Er ist ihr durchaus nicht fremd, er ist ein Mädchentraum. Wie Senta ihren Holländer (endet tödlich), so hat auch sie ihren Ritter schon im Bild gesehen:

„Das eben schuf mir so schnelle Qual,
dass ich schon längst ihn im Bilde sah!
Sag, trat er nicht ganz wie David nah?“

Nicht Lenes David (die bekommt schon einen Schreck!), auch nicht der König David mit der Harfe aus dem Meistersingeremblem (was einen humoristischen Prognosewert enthält), sondern der David aus dem Dürerbild, der beziehungsreich den Goliath besiegt.

Natürlich wird ihr Held siegen! Für das Kind gibt es keine Zweifel. Niemand rät ihr zu vorsichtigem Umgang mit Mädchenträumen. Doch ihr Held fällt durch, Kinderglauben wird erschüttert und ihr Frauenleben beginnt von einem Moment auf den anderen.

Dieser Moment ist in der fünften Szene des zweiten Aufzuges. Grad hat Evchen eine Szene vorher einen völlig veränderten Sachs vorgefunden. Sie will nur herausbekommen, was sich Entsetzliches abgespielt hat in der Singschule. Der hat mich lieb!, darauf war immer Verlass, aber Sachs schustert an Beckmessers Freier-Schuhen herum und stellt sich schrecklich dumm und benimmt sich gar nicht fein: Wo sie doch dem Junker auf der Spur ist und dann erfahren muss, dass es nur einen Bewerber gibt, Junggesellen sind rar unter den Meistersingern! Beckmesser ist einziger Freier? Hilfe tut Not: Ach was „Junggesell … Könnt’s einem Witwer nicht gelingen?“ - Sachs wäre ihr allemal lieber als der alte Hagestolz Beckmesser. Wie bitte? Sachs sagt nein? Wo er sie doch schon als kleines Mädchen gern auf den Armen trug? Wo sie so schmeichelnd fragt? Sie ist hübsch adrett und eine Braut in spe, was stimmt nicht mit ihr? Was regt er sich so auf und weist sie wie ein Kind zurück? Und anstatt sich zu entspannen, weil es eh um einen ganz anderen geht, wird er noch wütend: „Den Junker Hochmut, lasst ihn laufen …

Zurück in die dritte Szene, zu dem Moment, in dem Evchen Eva wird: Ihr Ritter tobt schwertschwingend beim Gedanken an die Meisterbuhlen, die ihn demütigen und seine Braut lüstern umzingeln. Wie wir es erwarten, nimmt sich diese Wut wortreich, lautstark und lange viel Raum, und als er erschöpft zusammensinkt, weiß sie, was zu sagen ist: „Geliebter, spare den Zorn.“ Ihr Entschluss steht fest: sie wird mit ihm fliehen.

Einfach und wirkungsvoll. Ihr Gesicht verändert sich, ihre Stimme verändert sich, ihr Körper kommt zur Ruhe. (Endlich, murmelt meine Schauspielerfreundin, die sowieso einen seltsam kritischen Blick auf sie hat. Wenn die den Mund beim Singen mehr aufmachen würde und dafür beim Staunen mehr zu … solche Sachen brummelt sie ständig vor sich hin. Aber das kann auch daran liegen, dass wir ungefähr dreimal so alt sind wie Evchen und auf dem kleinen Bildschirm ein wohlvertrautes Thema verfolgen können).

Zurück zu der jungen Eva. Sie liegt im Arm des Liebsten versteckt unter der Linde, denn Sachs hat schlichtweg den Fluchtweg abgeschnitten. Das Frausein beginnt nicht einfach: Beckmesser baut sich vor ihrem Fenster auf, Sachs singt mitten auf der Gasse ein zünftigherbes Schusterlied, der junge Mann nutzt die Zwangslage für aufregende Dinge, ihr Körper glüht. Und dem Schuster traut sie grad gar nicht über den Weg. Doch etwas will sich bemerkbar machen, hartnäckig, dem Schmerzkeim in Sachsens Brust sehr ähnlich. Da war etwas in seinem Blick vorhin, auch sie kann es nicht fassen. Und weh tut es, wenn er dieses Lied singt, das sie doch ewig kennt, über Eva, der die Füßchen schmerzen, als sie mit Adam aus dem Paradies fortläuft und Schuhe braucht.

Wieder wird sie es in seinem Blick finden, was sie nicht fasst, als sie nächsten Morgen in der Schusterstube nach ihrem Junker sucht und so tut, als drückten die Schuh und Sachs vor ihr kniet. Da ist es schon beinah zum Greifen nah, aber es lässt sich nicht halten … dafür mischt sich ein anderes Gefühl hinzu: Die Glückseligkeit, dem Lied des Liebsten zu lauschen, ist zwar überwältigend, aber sie … schämt sich.
Einen Meistersinger hat Sachs über Nacht gezaubert, Unrecht hat sie dem väterlichen Freund getan und ausgenutzt fühlt er sich zu Recht. Ist das ein furchtbares Gefühl! Sie spürt, wie lieb sie ihn hat und muss in seine Arme und will gar nicht mehr raus aus seinen Armen. So sehr ist sie ihm dankbar. Und sie muss es ihm sagen: wenn es auch nicht ganz fein war, ihn als Beckmesserverhinderungswerber zu wollen, sie „war doch auf der rechten Spur“: sie würde ihn wählen zum Gemahl, hätte sie die Wahl. Ganz sicher! Aber sie hat keine Wahl mehr, dass versteht er doch: „Doch nun hat’s mich gewählt“.

Wie froh ist sie, dass Sachs sich beruhigt, wieder beinahe der Alte wird. Da ist zwar was mit der Geschichte über diesen König Marke, aber es geht alles so schnell, sie soll jetzt singen, ihres Liebsten Meisterlied taufen. Ihr Herz wird riesengroß und die Erleichterung auch. Da ist endlich der väterliche Segen für ihre Liebe und sie singt sich in beides hinein ohne wenn und aber.

Ob ihr auffällt, was wir hören können, wenn das betörend schöne Quintett erklingt, in der das getaufte Kunstkind zwei Paaren das Liebesglück verspricht und einen Mann sehr einsam macht? Verstehen kann man nie viel, wenn alle gleichzeitig singen, aber bei aller Seeligkeit der jungen Liebenden sind des Schusters Worte die ersten, die auf Evas Melodie antworten, sie fortführen und tragen.

Nein, die junge Frau braucht noch einige Blicke in seine Augen ein wenig später dort auf der Festspielwiese. Sie braucht den Gänsehautmoment, als Sachs sie grüßt. Sie braucht seinen gesenkten Kopf, und einen ersten Zweifel an dem Liebsten, der alle brüskiert. Sie braucht die gewohnt souveränen Reden des Schusters, der alles richtet und nicht versäumt, sie zu würdigen, Kunst hin und deutsche Lande her. In aller Öffentlichkeit ehrt Sachs sie als Frau und erklärt: „wie kann die Kunst wohl unwert sein, die solche Preise schließet ein?“ Das ist mehr als einfach nur lieb haben. Und mit einem Mal ist es klar: Sachs ist ein Mann. Ein Mann, der sie begehrt. Und ein attraktiver dazu.

II. „… als bedürft’ger Mann … Da gibt’s Geschlamb und Geschlumbfer.“

So ist es: David weiß es, Beckmesser weiß es und die Lehrbuben johlen es auf der Gasse, nur Sachs singt vom Flieder. Gewiss, er ist wirklich ganz benommen von dem Auftritt des mutigen jungen Mannes. Da gibt es kein Vertun, der kommt wie aus anderen Zeiten. Sachs hat seine Dichterwurzeln nicht in Minnesang und Ritterwelten, sein Boden ist Nürnbergs zünftige Handwerkerwelt. Das setzt Grenzen. Aber fühlen kann er das Genie. Und die Quelle spüren, aus der es schöpft:

„Lenzes Gebot,
die süße Not,
die legt es ihm an die Brust:
nun sang er, wie er musst’!
Und wie er musst’, so konnt er’s.“

Der Junge ist verliebt! Wie man nur verliebt sein kann, wenn man jung ist. Viel jünger eben als er. Und natürlich geht es im Kopf herum, dass Evchen einen Bräutigam braucht. Verdammt. Beckmesser soll sich besser auf seine Freiersfüße konzentrieren, wird schon früh genug auf die Schnauze fallen! als ihm zu unterstellen, dass er, Sachs, dieses Kind …

Dieses Kind, ja, wahrlich gar groß und schön gewachsen, kann sie ihr Brusttuch nicht mal festhalten und einfach stillstehen? Und macht ihm noch blauen Dunst, werben soll er um sie, als Platzhirsch gegen den Beckmesser, was denkt die sich denn? Die denkt sich gar nichts, die hat was im Sinn, das spürt er doch gleich. Aber nie hätte er gedacht, dass so ein Gefühlschaos in ihm tobt, als ihm endlich klar wird, dass sein Evchen der Quell des Junkers ist. Wütend wird er, verliert sogar kurzfristig die Fassung, verschrickt das junge Ding. Die kann doch gar nichts dafür, ist doch ganz natürlich und auch an der Zeit, wie hat er das bisher übersehen können, was da herangewachsen ist.

Diese vielen Gefühle, er haut sie mit dem Hammer in Beckmessers Schuh und haut sie mit dem Schusterlied den jungen Leuten um die Ohren, ha!, wie passend! Die meinen, er wisse nicht, dass sie da unter der Linde poussieren? Wie gut es tut, zu hämmern und zu grölen, das löst die Gefühle, macht den Atem frei. Der arme Stadtschreiber kriegt es doppelt und dreifach. Aber wie ist der Kerl auch dämlich, hat er’s denn so dringend?

Ihm kommt es zupass, das lenkt erst einmal ab, bringt sogar Spaß, was singt Beckmesser sich da bloß zurecht! Sachs kommt wieder an bei gewohntem Witz und klarem Kopf, Beckmesser aushebeln, die Flucht verhindern, den Junker aus dem Verkehr ziehen. Das Herz beruhigen.

Aber dann packt es ihn wieder, er kann David kaum ertragen mit seinem heruntergeleierten Johannistag-Sprüchlein und dem unbekümmerten Liebesgetue. Die Maulschelle zum Gesell’ später fällt mächtig grob aus. Der wird jetzt seine Lene heiraten, der nimmt sich, was er braucht. Lass die anderen doch singen und spotten, David liebt die Jungfer, die ihn füttert und tröstet und zeigt, wo es lang geht. Aufgehoben in seinem schlichten Gemüt machen die paar Jahre doch kein Problem. Und dieselbe Schlichtheit scheint vor Intelligenz nicht zurückzuschrecken, denn Beckmesser stört es auch nicht, dass das Mägdelein deutlich jünger ist. Mensch, Sixtus Beckmesser, dem wäre er in der Schusterstube beinah an die Gurgel gegangen, weil der so verdammt Recht hatte.

Was fällt Ihnen ein, Herr Beckmesser - ihm so Nahezutreten. Trägt er es denn im Gesicht? Er hat es gesagt und er hat es gemeint: Er freit nicht um das Kind. Nein, Beckmesser kann nicht wissen, wie es in ihm aussieht, der weiß überhaupt nicht, wie es in irgendjemandem aussieht. Der wittert nur nach Konkurrenten und baut sich grad die größte Falle selbst, mit seinem Einbruch und dem Meisterlied in der Tasche. Was macht die Angst doch die Menschen berechenbar.

Was macht der Schmerz doch unberechenbar: David in seiner liebenswürdigen Unbedarftheit ist gar nichts gegen die erbarmungslose Arroganz der jugendlichen Selbstverliebtheit, wenn man verliebt ist: „Doch wenn dem Lenz schon lang entronnen … “, so etwas geht dem Junker locker von den Lippen. Die im Alter nach konserviertem Liebesleben bedürft’gen Meister machen in des Junkers Wahrnehmung vor dem Schuster nicht halt.

Komm, Junge, diktier dem altem bedürft’gen Mann Liebesfeuer in die Feder. Das ist eine Lehrstunde vom Feinsten für jugendliches Ungestüm und gleichzeitig eine Rosskur für ein schmerzendes Herz … manchmal allerdings müssen die Hände den Kopf festhalten ...

Wer hätte gedacht, wie lang der Weg ist. Man glaubt, man hat es schon hinter sich, die Einsicht ist doch im Kopf, wo will sie denn noch hin? In immer tiefere Orte? Der Morgen am Johannistag hat es in sich, verdammt viel Traurigkeit, diese Melancholie, das Herz tut weh, dann Davids Auftritt, dann Beckmessers Auftritt, dazwischen der Junker mit seinem Lied. Andrerseits: wie gut hat es getan, Kraft und Wissen zu lenken in dieses ungebündelte Schöpfungsgenie! Wie gut, die Souveränität wieder neu zu spüren, und einfach so tiefe Freude an des Junkers Können zu haben. Ehrfurcht zu empfinden vor göttlicher Kunst. Da kommt auch Lust auf für den letzten Streich, den Stadtschreiber lassen wir hineinrennen in die Niederlage mit dem geraubtgeschenktem Lied und den Junker führen wir zum Sieg!

Und mitten hinein in die errungene Souveränität kommt Evchen im noch engeren Festtagskleid, mein Gott, weiß sie nicht, wie sie aussieht? Was es macht, ihr Drehen und Wiegen, der Fuß auf dem Schemel, die Nähe zu Lippen, Aug und Brust?

Nein, Evchen weiß es immer noch nicht. Aber wir wissen es. Die sowieso kritische Freundin neben mir brummelt prompt: die Pelle platzt gleich. Und die andere Freundin auf dem Opernsessel (auch Rosenmuster und Löwenfüße) verschluckt sich fast am Rotwein: sie leidet seit gut fünf Jahrzehnten an einem Wahn, an dem diese Eva nicht leidet, nämlich dass die Attraktivität einer Frau ab fünfundfünfzig Kilo aufwärts vorbei ist. Mir kommt eine Liedzeile von Konstantin Wecker in den Kopf, in der dieser lustvoll die Vokabel „fleischlich“ nutzt Das meint nichts gegen die Sängerin Eva Johansson. Sie ist und singt ein wundervolles Evchen. Eben jung und unbefangen und im ewig alten Spiel, das einer jeden Eva eingeboren ist. Sie ist sinnlich und lebendig und reizend, eine Art Brigitte Bardot aus Alt-Nürenbergs Stuben.

Nein, das sagt einfach etwas aus über ihr Alter und unser Alter. Wenn wir die jugendliche Konkurrenz dreieinig vom Bildschirm beißen, sagt das auch etwas aus über die Attraktivität des Mannes, um den es sich dreht. In einem Interview definiert Brendel seinen Sachs als „voll im Saft“, Das ist zu sehen, da täuschen weder die Pantoffeln noch die biedergemütliche und bemerkenswerte Wäsche unter der Schusterschürze. Der Schuster ist ein Mann in sogenannt besten Jahren und sicherlich mit allen Sinnen und Kräften in der Lage, Evchens Reize wahrzunehmen.

Allem seinem „Ich-freie-nicht“ zum Trotz fährt er sich durch die Haare, die in alle Richtungen stehen, rückt die Hosenträgerhosen zurecht und ist aufgeregt wie junges Blut, als Evchen mitten hinein kommt in die neu errungene Souveränität.

„… Ei, wie herrlich
und stolz du’s heute meinst!
Du machst wohl alt und jung begehrlich,
wenn du so schön erscheinst.“

Ich kenne keinen Sänger, der „schön“ so schön singt wie Wolfgang Brendel. Doch sie hört und sieht ihn nicht. Sie sucht ihren Liebsten. Da hilft weder ein atemlos langer Blick noch unsere Sofa- und Sesselperspektive noch alle Attraktivität. Für sie ist er als Mann unsichtbar.

III. „an der Pegnitz hieß der Hans!“

Als sie in der vierten Szene des dritten Aufzuges der Morgentraumdeutweise ihren Namen geben, stirbt Sachs seinen letzten kleinen Tod. Evchen beginnt zu singen wie wahrlich im Paradies, ihre Antwort ist eines Meisterliedes mehr als würdig. Er muss es endgültig in alle seine Tiefen nehmen: sie gehört zu dem Junker. Und in den Schutz des Quintetts hinein, da ihn ja doch keiner versteht, da kann er es auch formulieren:

„Vor dem Kinde lieblich hold
möchte ich gern wohl singen.
Doch des Herzens süß Beschwer
galt es zu bezwingen.“

Er ist durch. Grad rechtzeitig. Einfach ehrlich sein. Nach dem Erkennen kommt das Benennen. Er ist nicht mehr der Alte und will es auch nicht mehr sein.

Nach einem letzten kleinen Amoklauf kann er sie jetzt lassen. Die Selbstachtung ging beinah mit in die Knie, Gott sei gedankt für seine Kraft, mit Witz die größte Offensichtlichkeit umzulenken in eine Art Flucht nach vorn. Aber es musste einfach raus, alles, auch die vermeintlichen Kränkungen mussten Worte werden. Regeln hat er gebrochen, seine Sehnsüchte und seine Schmerzen preisgegeben, über alle seine Maßen hinaus. Einfach in des Junkers Lied hineingeschimpft, nur um die Selbstversunkenheit des Liebespaares zu stören. Schwerer noch als seine Unsichtbarkeit sind Evchens Umarmungen auszuhalten. Und dann ihre lange Erklärung - mit viel Gefühl, zweifelsohne, aber väterlicher kann ein Platz nicht sein als der, den sie ihm zuweist. Deutlicher kann sie ihre Zugehörigkeit nicht machen. Ihre Liebe zu Stolzing nämlich, „das war ein Müssen, war ein Zwang“.

Sein „Es-gibt-mich!“ hat den letzten Raum aufgebrochen, in dem noch Schmerz eingesperrt war. Es war auch wie ein Zwang, er konnte es gar nicht bremsen. Es ist nicht der Verzicht auf Eva, es ist viel mehr. Es ist der Abschied eines Selbstverständnisses. Er muss sich neu zur Welt bringen.

Wenn Wagner eine komische Oper schreibt, bleibt sie doch eine Wagneroper. Wobei vokabelpuristisch zu bedenken sei, dass Wagner keine Opern komponiert, sondern Musikdramen oder Weihefestspiele in Wort und Musik gestaltet. Aber ob Lustspiel oder komische Oper, Wagner kann einfach nicht einfach unterhalten. Er verarbeitet Welt und sich, sei es komisch oder tragisch. Dreiundzwanzig (!) Jahre Lebenserfahrung und die Gleichzeitigkeit mit der Arbeit an dem Ring und Tristan&Isolde stecken in den Meistersingern und damit auch die Begegnung mit der jungen und verheirateten Mathilde Wesendonck. Hier findet eine weitere Überwindung ihrer Liebessehnsuchtsgeschichte statt. Wagner erholt sich von den tiefen und eben auch schmerzberührenden Auseinandersetzungen mit seinen äußeren, inneren und künstlerischen Dramen. Er verarbeitet seine Themen auf einer anderen Ebene noch einmal, die er mehrere Meisterwerke lang schon mehrere Male verarbeitet hat. Wie wir es ja auch machen im Kleinen und Privaten. Immer wieder, das ganze Leben und möglicherweise viele Leben hindurch.

Sachs führt das vor, er marschiert nicht gradlinig durch seinen Konflikt und löst ihn. Nein, er kreist ihn ein, er kreist in seine Tiefen. Immer wieder eine neue Schicht, derselbe Schmerz an neuem Ort. Doch der Schuster kommt zum Ziel, denn am Ende aller Einsichten und dem letzten Ausbruch hat er es geschafft: Er hat sich entschieden. Das löscht nicht die Gefühle! Muss er doch sogar zum Schluss noch dem Junker Hochmut den Kopf waschen, in aller Öffentlichkeit, was fällt ihm ein: die Meister zu verachten nach dieser meisterhaften Unterweisung durch ihn, Meister Sachs: „Verachtet mir die Meister nicht!“. Das tut gut. Sachs ist wieder sichtbar. Aber vorher hat er losgelassen wie es ihn losgelassen hat.

Das geschieht noch am Johannistag-Morgen. Wagner stellt den Menschen und Komponisten Wagner in die Schusterstube. Das ist dreifacher Werkstatt-Humor, der die Tragik transformiert, ohne sie zu negieren oder gar lächerlich zu machen. Durch Sachs bringt er sich neu in die Welt.
Die Tristanmusik erklingt ausdrücklich, antithetisch lässt Wagner die jungen Liebenden am Zwang ihrer Liebe nicht sterben und Sachs klüger sein als König Marke.

„Mein Kind, von Tristan und Isolde
kenn ich ein traurig Stück:
Hans Sachs war klug und wollte
nichts von Herrn Markes Glück.
‚s war Zeit, dass ich den Rechten fand
wär’ sonst an End doch hingerannt.“

Wieder einer dieser kostbaren Opernmomente. Sachs sitzt ganz am Rand in seiner Schusterstube auf der Bank, erschöpft an die Wand gelehnt, jetzt kniet Evchen vor ihm, hat sich noch einmal in seine Arme gedrängt. Und wenn er dann einen scheuen Kuss auf den Blondkopf drückt, bevor er sich losreißt, liegt in diesem Kuss alles: die wieder errungene Autorität, Wut, Weisheit, Scham. Trauer. Eine ganze Welt Intimität in einer Sekunde. Abschied. Liebe. Das wirklich letzte Mal am Ende der Oper stößt er sie weder in des Junkers Arme noch reißt er sich los. Er wendet sich ab, auf der Festspielwiese, wir kennen die Geschichte. Gleich wird er Beckmesser auf die Schulter schlagen. Evas Blick auf ihn sieht er nicht mehr. Die Oper ist zu Ende. Das Leben nicht.

Johannistag ist Hans Sachsens Namenstag. Die Oper beginnt mit einem Choral über Johannes den Täufer. Davids Sprüchlein handelt auch vom biblischen Wegbereiter des Herrn. Eine Meisterweise ist geboren und wird getauft. Ein Mann bringt sich neu in die Welt, indem er hinter einen anderen zurücktritt. Das Thema ist vielschichtig eindeutig.

Denn es ist weder klug noch weise, einem jungen Mädchen hinterher zuträumen, es gar zu ehelichen. Nicht, weil Eva in heller Liebe und erotischem Feuer zu dem Schicksalsmann entbrannt ist, heißt er Adam, Tristan oder Walther. Nein, das Alter passt nicht. Das ist leicht, wenn man es weiß. Es ist schwer, wenn man sich dazu entscheidet.

Jetzt kennen wir den Tumult im gesenkten Kopf. Des Junkers Sieg ist des Schusters Niederlage. Aber nur in einer Hinsicht. In einer gar nicht mehr so wesentlichen. Seine Niederlage ist sein Sieg. Und umgekehrt. Und im Spiegel innen und außen noch mal umgekehrt. Man muss er nur tief genug verstehen. Es ist eine Meisterschaft. Sachs ist was er war: ein Schuster und Poet. Aber eben neu.


Ausklang

Ich sehe die Oper noch einmal, diesmal allein. Jetzt ist sie so vertraut, ich genieße das Gleichgewicht. Die Lust am Theater, das Komische, das Tragische. Einhalb mal lustig, einhalb mal traurig: Mir fällt die Marschallin aus dem Rosenkavalier ein, hier die Geschichte einer Frau, die bewusst ihren einhalb mal so alten Liebhaber in die Arme einer Sechzehnjährigen manövriert. Immer wieder heißt es Abschied nehmen, damit Neues kommen kann. Manchmal sind es nur Liebesgeschichten, manchmal sind es Lebensentwürfe. Ich fühle mich gut aufgehoben in diesen Opernwelten.

Wir können uns entscheiden, wie wir Hürden nehmen. Männer begehren, Frauen begehren das Begehrtwerden. Das wird zur Herausforderung, wenn der Körper nicht mehr jung ist und wir zu alt für junge Körper sind. Aber Liebe ist mehr als Körper. Sachs hat Evchen wirklich lieb. Sie gehört in Stolzing Arme, der Lenz, der singt für sie!

Sie dort zu lassen und den eigenen Platz in der eigenen Jahreszeit zu finden ist mehr als eine poetische Anfrischung, es ist Arbeit in Kopf und Herz. Es ist errungene Weisheit. Dahin zu kommen öffnet Türen für Neugeburt. Und macht den Satz meiner Großmutter lebendig: Das Schöne am Älterwerden ist, dass die Männer mit grauen Schläfen endlich gleich alt werden.

Ich stricke einen neuen Pullover. Für mich.

Meisterstunden mit einem Meistersinger - Was ich gelernt habe ich ganz kurz:

Gesätz I: Opern sind Spiegel
I. Gegen den halten Sie Ihr Herz fest, in den werden Sie sich verlieben.
II. Euch macht Ihr’s leicht, mir macht Ihr’s schwer.
III. Wahn! Wahn! Überall Wahn!

Gesätz II: Wenn viele mitspielen, spielt sich bei vielen viel ab.
I. Ein Junggeselle muss es sein
II. Ein Meistersinger möcht’ ich sein
III. die Meisterregeln lernt beizeiten

Gesätz III: Vor dem Werden ist das Sterben
I. Was macht ihr Männer mir doch für Beschwerden.
II. … als bedürft’ger Mann … Da gibt’s Geschlamb und Geschlumbfer.
III. an der Pegnitz hieß der Hans


Nachtrag: ein Dankeschönbrief

Lieber Herr Hänselbruder,

Ihr Wunsch, dass ich Ihnen einfach mal das Video leihen soll, nur weil ich so von dieser Oper und vom Brendel rumschwärme, hat mich dazu gebracht, mir diese vielen langen Gedanken zu machen. Denn wer als bis dato konsequenter Opernverweigerer im Ganzen gleich mit den Meistersinger beginnt, braucht eine Gebrauchsanweisung, dachte ich. Das ist nun draus geworden: im Ordnen der Opernerfahrung eine Selbstbegegnung. Dafür danke ich Ihnen aus ganzem Herzen! Dass es so viel wird, habe ich nicht geahnt, aber es war einfach nicht möglich, weniger zu schreiben. Viel mehr noch hätte ich schreiben können, denn diese wie eben auch die anderen Lieblingsopern sind ein unerschöpflicher Quell. Auf dass er auch Ihnen zu fließen beginne wünscht

Ihre Gretelschwester Meike Lalowski

Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg
Inszenierung: Götz Friedrich – Deutsche Oper Berlin 1995
Dirigent: Rafael Frühbeck de Burgos
Wolfgang Brendel, Eva Johansson, Gösta Windbergh Uwe Pepper, Ute Walther u.a.
Als DVD oder Video oder Cd hoffentlich immer erhältlich!
Für Interessierte hier ein Link: www.wolfgang-brendel.de



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Meike Lalowski

Meike Lalowski

geboren 1956

Aura Soma Beraterin

Geschäftsführung der
Wiker Buchhandlung
in Kiel

Telefon:
0431 / 86901 (priv)
0431 / 330 589 (Büro)